Meine Klingel klappert leise vor sich hin, als ich mit dem Fahrrad über das Kopfsteinpflaster in Nieblum fahre. Ich bin gleich verliebt in die hutzeligen Reetdachhäuser, deren Größe mich an Alice im Wunderland erinnern. Der Wind raschelt in den Bäumen und die Sonne scheint durch die Wipfel auf die Mini-Allee. Nur mein dicker blauer Schal ist das erste Anzeichen, dass der Herbst schon auf der Poleposition steht und der Sommer sich auch von Föhr – der friesischen Karibik – leise verabschiedet.
Mein Ziel ist die Bonbonkocherei „Föhrer Snupkroom“ der Familie Brodersen. „Bonbonkocherei“ – allein das Wort klingt wunderbar aus der Zeit gefallen und auch das kleine Geschäft selbst scheint dem Bilderbuch entsprungen. Unzählige Dosen, Tüten und Gläser mit Bonbons und Lutschern in allen Farben und Formen säumen die Regale; ein süßlicher Duft liegt in der Luft der drei kleinen Räume, deren Holzdielen bei jedem Schritt heimelig knarzen.
„Unsere Mutter wollte immer einen Bonbonladen wie bei Pippi Langstrumpf“ erzählen Svenja Brodersen und Tanja Nissen und ich sehe sofort die großen Augen von Pippi, Annika und Tommi vor mir, die 18 Pfund gemischte Bonbons kaufen. Anders als bei Pippi, deren Geist den Raum erfüllt und deren Bilder die Wände zieren, steht hinter der Theke in Nieblum jedoch kein Mütterchen mit Schürze. Die blonden Schwestern und waschechten Föhrerinnen sind Mitte und Ende 20 und führen das Geschäft gemeinsam mit Mutter und Gründerin Enken, deren fixe Idee vor drei Jahren mit dem Verkauf von Bonbons auf Fisch- und Dorfmärkten begann. Dafür wurde der Keller im elterlichen Haus zur Bonbonküche ausgebaut und mehrere Monate getüftelt. „Als uns dann im Frühling 2014 dieser Laden angeboten wurde, haben wir es einfach ausprobiert. Und es läuft immer noch“ lächelt Svenja, die seit vergangenem Jahr im mütterlichen Unternehmen mal Bonbons kocht, mal Rechnungen schreibt oder auch mal Nachschub ausfährt, wenn irgendwo eine Sorte zur Neige geht.
Von Februar bis November werden im Keller der Brodersens jeden Tag knapp 22 Kilogramm Bonbonmasse gekocht und mit den 100 Jahre alten amerikanischen Maschinen in Kugel-, Kissen- oder Lutscherform gepresst oder gewalzt. „Dabei muss man schnell, aber nicht zu schnell sein, denn die Masse muss genau die richtige Konsistenz haben“ weiß Tanja aus Erfahrung. Die geballte Frauenpower produziert knapp 60 Sorten für alle Geschmäcker – egal ob fruchtig, lakritzig, kräuterig oder brause-britzelig. Eine Lieblingssorte haben die beiden deshalb nicht, denn „das wechselt ständig. Aktuell stehen wir sehr auf weiße Schokolade“.
Besonders angetan haben es mir aber die Motiv-Bonbons, für die Zuckerstangen mit dem Spachtel in Stücke gehackt werden. „Wir haben ewig gebraucht, bis uns die FÖHR Bonbons gelungen sind“ berichten die Schwestern und ich bin fasziniert, wie das Handwerk funktioniert. Denn das Motiv wird erst einem großen Block zusammengesetzt und anschließend daraus die Stangen gerollt. Es muss also genau bedacht werden, wie sich das Motiv durch das Rollen und formen verändert.
Ich stelle mir vor, wie oft ich wohl Bonbons mit verbogenen Ankern oder gebrochenen Herzen machen müsste, bevor sie so perfekt würden wie in der Bonbonkocherei. „Wir haben mit einfach Motiven wie Smileys angefangen und uns dann an kompliziertere Motive gewagt“ geben die Schwestern zu bedenken. Nun gibt es neben den Original-Föhr-Bonbons in mint sowie kleinen Ankern auch Leuchttürme, Schweinchengesichter, Kirschen und Schneemänner.
Katrin, eine Schülerin, die vor einigen Jahren aus dem Rheinland nach Föhr gezogen ist und sonntags in der Bonbonkocherei jobt, bietet mir ein Manhattan-Bonbon aus einer großen Dose an. Manhattan? Ich habe mich nicht verhört und sie erklärt mir, dass der Aperitif das Insel-Nationalgetränk ist, bei dem die Cocktailkirsche nicht fehlen darf. Ich bin froh, dass das braun-weiße Bonbon mehr nach Kirsche und weniger nach Whisky und Vermuth schmeckt und ich bin überrascht, dass in den 50er und 60er Jahre viele Föhrer in den Big Apple zogen, um dort Geld zu verdienen. „Viele meiner Freunde haben irgendwo Verwandte in Amerika und hier die meisten Familien ein eigenes Manhattanrezept“ erzählt mit Katrin, während sie meine Bonboneinkäufe liebevoll verpackt.
Ich bin hingerissen von dem kleinen Laden, den sympathischen Frauen und dem farbenfrohen Angebot. Eine Begeisterung, die viele Besucher der Insel teilen und einen von vier Workshops buchen, den die Brodersen in den Ferienzeiten täglich (!) anbieten. Diese finden in der kleinen Showküche statt, die in den Laden integriert ist, und ich kann mir nur vorstellen, wie strahlende Kinder die güldenen Walzen von den Halterungen an den Wänden nehmen, um ihre eigenen Bonbons zu walzen.
Ich überlege, wann wohl die Mininichte groß genug für einen Kurs im Föhrer Snupkroom ist und freue mich schon, in einigen Jahren mit ihr wiederzukommen. Als ich davon radele stelle ich mir Pippi vor, wie sie auf ihrem Pferd über das Kopfsteinpflaster reitet und ihr Täschchen mit Goldmünzen an ihrem Gürtel klimpert.
Die Bonbonkocherei „Föhrer Snupkroom“ findet Ihr in der Jens-Jakob-Eschelstr. 5, 25938 Nieblum / Föhr.
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr
Samstag 11:00 Uhr bis 17:00Uhr
Sonntag 13:00 Uhr bis 17:00 Uhr
Sonntags auf dem Fischmarkt in Wyk (April bis Oktober); Donnerstags auf dem Dorfmarkt in Oevenum (Mai bis Oktober). Über die Website kann auch über ein Formular online bestellt werden.
Entstanden an einem wunderbaren „Bloggen mit Herz„-Wochenende auf Föhr und geteilt bei „Mittwochs mag ich“ von Frollein Pfau.
Hasengretel
30. SeptemberDie Bonbons machen Lust …. aber die Sprache erst recht. Soooo schön und Appetit anregend formuliert. Großes Kompliment!
Fee Vogel
30. SeptemberDankeschön! Dass sich auf dem Rückweg mein Schal in der Kette des Fahrrads verfangen hat, habe ich dann weggelassen, um die Stimmung nicht zu zerstören 🙂 Liebe Grüße, Fee
Fee ist mein Name
3. OktoberHaha, ich finde ja, sowas sind die perfekten Anekdoten :D! Aber so oder so: Ein sehr schöner Post!
Fee Vogel
6. Oktober😀 Ich weiß, es war auch ein bisschen zum Schreien. Ich war wirklich wie Hans Guck-in-die-Luft unterwegs, bis der Schal sich verfing und ich ihn hektisch aus der Kette friemeln musste. Das sind quasi die Outtakes. Vielleicht gibt es irgendwann genügend für einen eigenen Beitrag… schön, dass Dir der Beitrag gefällt.
Katja
30. SeptemberWas für ein schöner Beitrag und was für ein toller Laden! Dass ich es leider nicht geschafft habe, hinzugehen, tut jetzt doppelt weh… Dafür habe ich ja noch deine Bonbontüte <3 die kleinen Zuckerstücke sind suuuuuper lecker, vielen Dank dafür. Und Danke auch für diesen Bericht.
Alles Liebe,
Katja
Fee Vogel
30. SeptemberWie schön, dass er Dir gefällt, liebe Katja! Ohne Euch wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen…und nun bin ich so froh, dass ich mit auf Föhr war und dass ich mal einen etwas anderen Beitrag geschrieben habe. Und das Ideenbüchlein für mehr Beiträge ist voll 🙂 Alles Liebe von fee
Nele
30. SeptemberLiebe Fee, dein Beitrag lässt mich die Bonbons förmlich schmecken. Sehr sehr schön! 🙂
Liebe Grüße
Nele
Fee Vogel
6. OktoberDanke, liebe Nele! Ich probiere mich aktuell noch durch meine „gemischte Tüte“ und freue mich immer wieder über die Föhr-Erinnerung… Liebe Grüße, Fee
Lena von grey crown
30. SeptemberWow, was ein toller Laden und so super schön geschrieben…
Der Post liest sich super schön und macht richtig Lust auf Bonbons!
Aber auch auch auf Pipi Langstumpf!
Liebe Grüße, LENA
Fee Vogel
6. OktoberHallo und dankeschön, liebe Lena! Pippi Langstrumpf fand ich auch schon immer cool und hätte totale Lust, selbst auch so einen Laden aufzumachen. Bonbons mag halt jeder… Liebe Grüße, Fee
Anja (*Alltagssterne*)
30. SeptemberLiebe Fee,
Danke. Das ist ein schöner Bericht! Am liebsten möchte man gleich nochmal losfahren.
Liebe Grüße
Anja***
Fee Vogel
6. OktoberLiebe Anja, danke für Deine Inspiration beim kreativen Schreiben. Es macht so viel Spaß, anderen damit eine Freude zu machen… Lieben Gruß von Fee
Britta
30. SeptemberWas für ein süßer Laden Fee!
Tolle Idee – so ein Job könnte mir auch unheimlich Freude bereiten!
Ich fühle mich gerade wieder wie als Kind, wo ich die Pippi Langstrumpf Filme förmlich aufgesaugt habe! Eine der Szenen aus dem Bonbonladen gehöre damals zu meinen Lieblingsszenen.
Schön, dass wir uns auf der Heimfahrt kennengelernt haben!
Bis vielleicht bald einmal,
Britta
Fee Vogel
6. OktoberLiebe Britta, da kann ich nur „gleichfalls“ sagen. Ich freu mich, wenn wir uns bald einmal im Rheinland sehen. Viele liebe Grüße, Fee
Sanna
30. SeptemberLiebe Fee,
so ein süßer Laden und so ein toller Bericht von Dir, der mir direkt Sehnsucht nach diesem kleinen Bonbonladen macht und ein wenig Wehmut, nicht dagewesen zu sein. Vielleicht sollten wir so einen Bonbon-Workshop ins nächste BloggenmitHerz-Programm einbauen? Das wäre bestimmt lecker und sehr lustig.
Ich wünsche Dir eine tolle Restwoche und freue mich ebenfalls, dass wir auf der Rückfahrt so viel Zeit hatten, um uns so nett zu unterhalten.
LG Sanna
Goldengelchen
30. SeptemberBonbon-Workshop klingt suuuper 🙂
Fee Vogel
6. OktoberAu ja, liebe Sanna! So einen Workshop würde ich auch gerne mal machen. Wir Rheinländer sollten wirklich mal die Köpfe zusammenstecken und etwas planen. Ich freu mich auf ein Wiedersehen und schicke Dir liebe Grüße, Fee
aline
30. SeptemberSo ein schöner Beitrag! Echt großartig! liebe Grüße
Fee Vogel
6. OktoberDanke, liebste Alina!
Selmin
30. SeptemberLiebe Fee, Du hast es so schön geschrieben, dass ich am liebsten nochmal in Deine Bonbontüte greifen möchte, die so schön auf der Fensterbank lag:-) Die Fotos sind auch ganz toll geworden, ich liebe das Bild mit den lakritzigen Bonbons und den Pipi-Langstrumpf-Schuhen, die an der Tür hängen. Danke für ein lustiges Föhrwochende und bis bald!!
Sei gedrückt von Deiner liebsten Ex-Zimmernachbarin:-D
Selmin
Fee Vogel
6. OktoberAch, liebe Selmin, die Schuhe sind echt das witzigste, oder? Ich danke Dir für ein tolles Zimmer-WG-Wochenende und freu mich auf unseren nächsten Ausflug. Wir sollten mal wieder etwas planen 🙂 Liebste Grüße, Fee
Goldengelchen
30. SeptemberLiebe Fee,
dein raus aus der Routine-Beitrag ist super geworden. So richtig informativ, aber auf eine schöne Art und Weise. Schön, dass es noch solche kleinen, inhabergeführten Handwerksläden gibt!
Jetzt bin ich gleich ein bisschen traurig, dass ich von Föhr so wenig gesehen habe. Ein Grund mehr, wieder zu kommen.
Viele Grüße, Denise
Fee Vogel
6. OktoberDankeschön, liebe Denise! Ich habe auch schon meine Schwester darauf angesetzt, bald mal einen Urlaub auf Föhr zu planen. Das Wochenende war wirklich viel zu kurz… Lieben Gruß von Fee
mila
1. OktoberKreisch! Das ist mit dem Bonbon- (und Spielzeug-) Laden ist meine absolute Pippi-Langstrumpf-Lieblingsgeschichte als Kind gewesen. Und noch heute fantasiere ich ab und an davon, einmal selber einen Bonbon-Laden zu besitzen. Der müsste genau so aussehen. LG mila
Fee Vogel
6. OktoberIch weiß, liebe Mila, das ging mir auch so. Und deshalb musste ich auch sofort losradeln, als ich den Laden im Internet gefunden habe. Das ganze Örtchen ist so süß und ich kann kaum glauben, dass diese Insel so viele Bonbons im Jahr „vertilgt“ 🙂 Liebe Grüße, Fee
Enken Brodersen
6. DezemberHallo wir ziehen gerade mit unserer Manufakturvon Nieblum nach Oevenum . Dort kann man IN einigen Wochen uns dann life bei der täglichen Produktion zuschauen .
Solange gibt es unsere süßen Sachen in unserem Onlineshop
http://Www.foehrersnupkroom. de
SÜßEGrüße
ENKEN BRODERSEN FÖHRER SNUPKROOM